Die Wolke Deutschland 2006
Regie: Gregor Schnitzler
mit: Paula Kalenberg, Franz Dinda, Richy Müller
Kinostart: 16. März 2006
Inhalt:
Die 16-jährige Hannah ist ein ganz normaler Teenager. Sie lebt zusammen mit ihrer allein erziehenden Mutter Paula und ihrem kleinen Bruder Uli in dem kleinen Dorf Schlitz, in der Nähe von Bad Hersfeld. Sie genießt zusammen mit ihrer besten Freundin Meike unbeschwert das Leben. Auch mit der ersten Liebe scheint es endlich zu klappen. Obwohl sich auch Meike in den verschlossenen Elmar verguckt hat, hat der 18-jährige schon längst Gefallen an Hannah gefunden. Während einer Klassenarbeit schiebt er ihr einen Zettel herüber, sie solle in den Theaterraum kommen. Nun ist es endlich für die beiden Liebenden soweit – es folgt der erste Kuss. Doch dieser wird jäh von einer aufheulenden Alarmsirene unterbrochen. Der Lehrer meint zwar, es sei nur ein Probealarm, aber Elmar ist sich sicher, es ist ein ABC-Alarm! Kurze Zeit später ist es traurige Gewissheit – es hat einen Störfall in einem nahe gelegenen Kernkraftwerk gegeben und die radioaktive Wolke treibt auf Schlitz zu. Alles verfällt in Chaos und Panik, das noch junge Liebesglück wird auseinander gerissen. Wieder zu Hause angekommen, wird Hannah vom kleinen Uli freudestrahlend empfangen. Die Schule sei ausgefallen, dass findet er natürlich klasse. Doch seltsam sei, dass alle Nachbarn fluchtartig ihre Häuser verlassen. Paula ist an diesem Tag in Schweinfurt auf einer Tagung, an dem Ort, welcher als erstes von der Wolke heimgesucht wurde. Hannah muss schnell eine Entscheidung treffen: Wartet sie auf Elmar, der versprochen hatte, sie mit dem Auto abzuholen oder macht sie sich mit Uli alleine auf den Weg zum Bahnhof nach Bad Hersfeld, der Rettung verspricht. Nachdem sie Elmar nicht mehr erreichen kann, entschließt sie sich mit Uli auf dem Fahrrad nach Bad Hersfeld zu fahren. Von hier an beginnt für die junge Hannah eine Reise ins Ungewisse. Schließlich erwacht sie in einem Krankenhaus für Strahlungsopfer in Hamburg. 38 000 Menschen fielen der radioaktiven Wolke innerhalb weniger Minuten zum Opfer, auch Hannah hatte der saure Regen eingeholt, sie konnte nicht rechtzeitig entkommen. Langsam machen sich die ersten Symptome bemerkbar, ihr langes, blondes Haar fällt ihr büschelweise aus. Völlig am Boden zerstört und aufgrund ihrer Kontanimierung geschwächt, verbringt sie nun ihr Leben mit anderen Jugendlichen in diesem Sanatorium. Doch das Schicksal meint es gut mit ihr - eines Tages steht Elmar vor der Tür. Er selbst weiß noch nicht, dass auch er verseucht wurde. Doch durch ihre Liebe können Hannah und Elmar nun jede noch so aussichtslose Situation meistern, die Frage ist nur, für wie lange?
Kritik:
„Die Wolke“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Gudrun Pausewang aus dem Jahr 1987, der ein Jahr später mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde. Die damalige Familienministerin Rita Süßmuth überreichte den Preis, sehr zum Unwillen ihrer Partei, da „Die Wolke“ nicht die politische Haltung der Regierung, sondern die der Opposition einnahm. Die Katastrophe von Tschernobyl war damals der Auslöser für die Autorin, über eine mögliche Gefahr für Deutschland zu schreiben und über das Risiko der Atomkraft aufzuklären. Der Film von Regisseur Gregor Schnitzler („Was tun, wenn’s brennt?“, „Soloalbum“) nennt die Hauptfigur nicht Janna-Berta und vernachlässigt auch die ausführlich geschilderte Zwei-Klassen Gesellschaft, die nach dem Unfall entsteht, zugunsten der neu hinzugefügten, publikumswirksameren Liebesgeschichte, verliert aber dabei niemals den bedrückenden Grundton des Romans aus den Augen. Hier sind nicht irgendwelche Außerirdische aus fremden Welten die Auslöser der Katastrophe, „Die Wolke“ beschreibt aus der Sicht der jungen Hannah ein bedrückend realistisches Szenario und stellt die Frage nach Schuld und Verantwortung für jeden Einzelnen. Ohne bombastisches Effektgewitter, erweckt der Film besonders in großen Massenszenen, ein starkes Gefühl der Angst und Hilflosigkeit. Hierin lege auch der Hauptunterschied zu den Katastrophenfilmen aus Hollywood, meint Schnitzler, nicht die Katastrophe ist in seinem Film der Hauptdarsteller, sondern die Figuren: „Wir folgen ihrer Geschichte und nicht der Geschichte der Katastrophe. Das ist der große Unterschied. Mir ist das Schicksal der Hauptfiguren wichtiger, als der Effekt des Zusammenstürzens.“ Das dieses Schicksal auch glaubhaft rüber gebracht wird, ist vor allem ein Verdienst der beiden Hauptdarsteller. Franz Dinda, der vorher in „Speer & Er“ und „Autobahnraser“ erste Dreherfahrungen sammelte spielt überzeugend den zurückgezogenen, intelligenten Elmar. Aber ganz besondere Anerkennung verdient die 19-jährige Paula Kalenberg, der man nach dieser intensiven, brillanten Darstellung der Hannah, eine große Kinokarriere voraussagen darf. Ihre Figur ist auch die Identifikationsfigur, die der wohl heutzutage entpolitisierten Jugend, zu einem neuen Verantwortungsgefühl verhelfen kann. Die Liebesbeziehung mag für die Erwachsenen sehr aufgesetzt wirken, ist aber nach der Katastrophe der weitere Faktor, durch den man an den Film emotional gebunden bleibt. Schnitzer untertreibt nicht, wenn er seinen Film als ein Epos, zwischen Liebesdrama und Katastrophenfilm bezeichnet. Dass ein Film mit diesem Anspruch auch noch aus Deutschland kommt, daran müssen sich einige wahrscheinlich erst noch gewöhnen. Seiner jungen Zielgruppe, wird es höchstwahrscheinlich egal sein, ob hier und da einige wissenschaftliche Fakten nicht stimmen und die Gefahr, wie einige Kritiker monierten, verharmlost dargestellt wird. Dies ist auch das Gelungene an „Die Wolke“, er vermag es eine fast normale Teenie-Romanze mit einer wichtigen politischen Botschaft zu versehen, was in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich ist. Und er versteht es dabei auch noch kraftvolle und sensible Kinomomente zu erschaffen, die auch bei den Erwachsenen einen nachträglichen Eindruck hinterlassen.
Wissenswertes:
- Der Film musste in einigen Szenen nachsynchronisiert werden, da der E-on Konzern nachträglich verboten hatte, ein von ihnen betriebenes Kraftwerk, in der das Unglück stattfinden sollte, namentlich zu nennen.
- Auch die Deutsche Bahn erlaubte der Filmcrew nicht am Bahnhof von Bad Hersfeld, noch an einem anderen deutschen Bahnhof zu drehen. Diese Szenen wurden in Belgien aufgenommen.
Bewertung: 8 von 10